"Nathan der Weise" von 1922 auf der Leinwand und ein Meister an der Orgel

Der legendäre Stummfilm „Nathan der Weise" läuft am 7. August in St. Katharinen - an der Orgel begleitet Wolfgang Seifen den Klassiker -

(Sonntag, o7. August um 19 Uhr in der St. Katharinen, Zuvor gibt es Kaffee und Kuchen. Eintrittskarten gibt es für 20 Euro, Kontakt/Informationen: 0172 49 58 115)

Von Benno Rougk (MAZ):

Brandenburg/H. Für viele Brandenburger ist die St.-Katharinenkirche im Herzen der Neustadt das schönste Gotteshaus der Havelstadt. Und mit der vor wenigen Wochen eingeweihten neuen Orgel, die im Grunde drei Orgeln zusammenfasst und in ihrer Größe und Güte einmalig ist in Deutschland, wird die Kirche in naher Zukunft zu einem Mekka der Kultur werden. Dies zu befördern, haben sich die Kirchengemeinde und nun auch die örtlichen Freimaurer auf die Fahnen geschrieben.

Dafür wird das Eröffnungskonzert der Sommerkonzerte in St. Katharinen Brandenburg einen weiteren Beweis liefern. Wolfgang Seifen, einer der hervorragendsten Vertreter der Orgelimprovisation weltweit und Professor für Improvisation an der Berliner Universität der Künste, spielt am 7. August live die Musik zu dem Stummfilm „Nathan der Weise.“

Der Organist spielt unten am mobilen Konzertspieltisch bei den Zuschauern. Der Film wird auf einer großen Leinwand zu sehen sein, Er ist bis heute die einzige Verfilmung des Dramas von Gotthold Ephraim Lessing aus dem Jahre 1922. Gezeigt wird die Stummfilm-Adaption des pazifistischen Lessing-Dramas, das seinerzeit 1922 dem aufkeimen- den Nationalsozialismus ein Dorn im Auge war und fast in Vergessenheit geraten ist.

Heute gilt das Werk als Klassiker des deutschen Stummfilms. Es ist die bisher einzige Kinoproduktion des Stücks „Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing, Die TV-Erstausstrahlung des lange Zeit als verschollen geltenden Stummfilms erfolgte am 1. Juni 2010 auf dem Sender Arte.

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Berühmt ist das Lessing-Stück nicht allein wegen der Ringparabel, die die Antwort auf die Frage nach der wahren Religion geben soll. Dort stehen drei gleichwertige Ringe für die drei Weltreligionen, die in Nathan der Weise" vorkommen: das Christentum, das Judentum und der Islam.

Im September 1922 wurde der Film so weit beendet, dass der Film der Filmprüfstelle München vorgelegt werden konnte. Diese sprach sich gegen eine Zulassung des Films aus. Denn „der Inhalt des Filmes: Der Jude ist alles, die anderen, ob Christ oder Türke sind nichts. Der Film wird Meinung und Gegenmeinung sofort im Kino herausfordern: dadurch wird es aller Wahrscheinlichkeit nach zu erregten Auseinandersetzungen und erfahrungsgemäß auch zu Tätlichkeiten kommen", beschied die Prüfstelle damals.

Die Uraufführung fand dennoch am 29. Dezember 1922 im Berliner Alhambra statt. Die Kritik bewertete den Film positiv. In München sollte Nathan am 9. Februar 1923 erstaufgeführt werden. Obwohl keine Reklame gemacht wurde, um Übergriffe auf die Spielstätte zu verhindern, wurde dem Kinobetreiber am Tag der Erstaufführung angedroht, das Kino im Falle einer Aufführung des Films am folgenden Tag zu demolieren. Die Produzenten der Bavaria-Film fassten daher einen waghalsigen Plan und beschlossen, sich direkt mit NSDAP-Parteiführer Adolf Hitler in Verbindung zu setzen. Doch nicht er sondern Hitlers Vertreter Hermann Esser empfing die Herren.

Nach einer Sondervorführung meinte Esser, der Film sei „ein Propagandafilm". Später hetzte er im Völkischen Beobachter gegen den Film, der ein „von verlogener und geheuchelter Humanität triefendes, echt jüdisches Machwerk" sei. ,Nathan der Weise" der nach 1933 keine Aufführung mehr erlebte, galt lange Zeit als verschollen. Erst 1996 wurde im Moskauer Gosfilmofond eine vollständige Schwarz-Weiß-Kopie des Films entdeckt. Die Kopie erlebte 1997 ihre öffentliche Neuaufführung. Das Lexikon des internationalen Films schreibt heute: „Der bildgewaltige, eindrucksvoll inszenierte und faszinierend gespielte Ausstattungsfilm, dessen Titelcharakter durch seine Weitsicht die verschiedenen Glaubensrichtungen zum versöhnlichen Einlenken bringt, ist das Musterbeispiel eines politisch mutwillig missverstandenen Werks.

Ein brillanter Film und ein brillanter Organist, das verspricht ein großartiges Kunsterlebnis für die Stadt Brandenburg zu werden.